Sehr interessanter Artikel von Hans Rudolf Schneider in der Bernerzeitung. Sicher lesenswert für Grächner.
Die Tourismusorganisation hat Strategie und Strukturen überprüft.
Fazit: Bodenständigkeit ist gefragt. Tourismuspräsident Donald Wick erklärt, wieso der neue Chef Resortmanager und nicht Kurdirektor heisst und warum das Marketing in eine eigene AG ausgelagert werden soll.
Donald Wick, Präsident von Adelboden Tourismus.
Bild: Markus Hubacher
Donald Wick, hat Adelboden Tourismus den Tourismus neu erfunden?
Donald Wick: Nach neun Jahren mit Roland Huber als Tourismusdirektor stand eine Überprüfung an. Alle Beteiligten kamen fast übereinstimmend zum Fazit, dass wir wieder bodenständiger werden müssen – also eher zurück zu den Wurzeln als neue Erfindungen machen.
Das hört sich ein bisschen so an, als ob Hubers Arbeit nicht nach Adelboden passte?
Er hat viele gute Ideen eingebracht, Strukturen aufgebaut, und einige Projekte werden wir jetzt noch zum Abschluss bringen. Aber einiges konnte auch nicht realisiert werden oder war gegen Ende seiner Zeit schlicht zu abgehoben für uns.
Wie sieht die neue Strategie von Adelboden Tourismus (AT) aus?
Grundsätzlich wird ein Wachstum von zwei Prozent pro Jahr angestrebt. Das hört sich nach wenig an, ergibt aber über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren ein gesundes und verträgliches Wachstum für einen Wohn-, Arbeits- und Ferienort. Deshalb hat sich AT vorgenommen, nicht zuletzt aufgrund der beschränkten Mittel, sich bei der Vermarktung auf maximal je fünf Sommer- und Wintererlebnisse zu beschränken. Selbstverständlich werden wir auch die vielen ergänzenden Angebote in geeigneter Form präsentieren, aber wir müssen vermehrt Schwerpunkte setzen.
Wo ist die Bodenständigkeit?
In den Anlässen selber. Die Gäste wollen ein authentisches Adelboden. Wir haben das Glück, dass das Dorf nicht nur Fassade ist, sondern wir präsentieren uns, wie wir sind. Zum Beispiel haben wir das neue Klassikmusik-Festival ins Konzept aufgenommen. Wir erwarten, dass dort nicht nur Krawattenträger teilnehmen, sondern auch Besucher im Chüejermutz eingelassen werden.
Auf Bestehendes aufbauen heisst keine neuen Infrastrukturprojekte?
Ziel ist primär, die vorhandenen Anlagen besser zu nutzen. Wir sind nicht gegen neue Investitionen wie das immer noch geplante Alpenbad oder private Vorhaben, aber wir richten uns derzeit auf das Vorhandene aus.
Wenn man an den starken Verkehr im Dorf denkt, ist Vorhandenes nicht nur positiv.
Hier stellen wir auch an die Gemeinde grosse Forderungen. Der Verkehr auf der Dorfstrasse ist eines der meistgenannten Probleme bei Gästen. Zur Lösung – mit der Anbindung des ÖV im Fuhrenweidli oder der Erneuerung der Dorfbahn – sind die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs und wir alle gefragt. Man könnte ja das Trotti zum Hauptverkehrsmittel im Dorf küren.
Für Gäste und Einheimische interessante Anlagen hat auch der Destinationspartner Frutigen – zum Beispiel das Hallenbad.
Die Frage, wie weit wir als Alpine Wellnessdestination ein Bad haben müssen, stellt sich tatsächlich. Nur 20 Minuten entfernt hat es ein Hallen- und Freibad, das sich schwertut. In dieser Hinsicht wäre eine engere Zusammenarbeit mit Frutigen sehr zu begrüssen, wobei wir darauf angewiesen sind, von Frutigen zu erfahren, was von uns erwartet wird.
Welche Konsequenzen hat diese Strategie «zurück zu den Wurzeln» für die Strukturen von AT?
Wir stellen den Mitgliedern ein bereits breit abgestütztes Konzept vor, das keinen traditionellen Tourismusdirektor mehr vorsieht. Wir nennen ihn Ressortmanager. Der Begriff Ressort umfasst das gesamte Freizeit- und Tourismusangebot. Dieser Manager muss nicht zwangsläufig Touristiker sein – eine gute Ausbildung, Erfahrungen als Projekt- und Teamleiter sowie in der Kommunikation sind gefragt. Seine Fähigkeiten in der Koordination und Integration der Leistungsträger sind matchentscheidend, denn unsere Zielsetzungen sind nur gemeinsam zu erreichen.
Der traditionelle Kurdirektor hat in Adelboden nach über 100 Jahren ausgedient, der Manager übernimmt das Händeschütteln in der Dorfstrasse.
Die Präsenz im Dorf ist nur ein kleiner Teil seiner Arbeit, aber ja, das soll wieder dazugehören. Mit Priorität soll der Ressortmanager den Tourismus weiterentwickeln und die vorgegebenen Ziele erreichen. Sobald feststeht, ob die Mitglieder unsere Ideen für gut befinden, suchen wir diese Person. Unser Vorteil ist, dass wir mit Jürg Blum und Barbara Schäfli derzeit ein Führungsteam haben, das funktioniert. Wir wollen vorwärtsmachen, aber stehen nicht unter Druck.
Gewisse Arbeiten und Aufgaben wollen Sie in eine neue Dienstleistungs-AG auslagern.
Uns ist klar, dass dieser Manager nicht alle gestellten Anforderungen an Entwicklung, Verkauf, Infrastrukturkenntnisse und Marketing erfüllen kann. Wir sehen deshalb vor, vorerst Letzteres in eine Aktiengesellschaft auszulagern.
Und diese AG kann auch weitere Marketingaufträge annehmen?
Natürlich. Wir bezeichnen sie derzeit als Dienstleistungs-AG, der Name ist noch nicht bestimmt. Die Aufgabe zu Beginn ist klar den Zielen von AT untergeordnet, der Verwaltungsrat soll Aufsichts- und Kontrollfunktionen haben. Natürlich muss diese AG professionelle Arbeit abliefern – muss in dieser Rechtsform aber auch rentieren.
Wie genau ist das mit den Drittaufträgen?
Auch andere touristische Leistungsträger – zum Beispiel die Bergbahnen, Hotels oder auch Gewerbebetriebe oder gar andere Destinationen – könnten vom Know-how dieser AG mit Marketingprofis profitieren. So könnte schrittweise eine engere und koordinierte Zusammenarbeit in der Region entstehen.
Das wäre die Aufgabe der Marketingkooperation Berner Oberland Mako BeO.
Eigentlich schon. Diese von oben verordnete Zusammenarbeit zwischen den Destinationen Kandertal, Adelboden-Frutigen, Lenk-Simmental und Thunersee hat uns zwar neue Erfahrungen gebracht, aber auch viel Geld gekostet. Mit unserem Konzept einer Dienstleistungs-AG wollen wir das gemeinsame Marketing effizienter und vor allem von unten, von der Front aus, lösen. Und später könnte neben dem Marketing zum Beispiel das Rechnungswesen in die neue AG ausgelagert werden.
Sie befürworten einen Zusammenschluss?
Wenn ich die Angebote und Stärken von Kandertal, Frutigen und Adelboden anschaue, hat dieses Dreieck eine sehr starke Position: Adelboden mit seiner starken alpinen und Winterpräsenz auf der einen Seite und Kandersteg mit seiner eher nordischen Ausrichtung und einer starken Sommerpräsenz auf der anderen Seite. Adelboden, das seine Gäste schwerpunktmässig aus der Schweiz und Deutschland rekrutiert, und Kandersteg, das stark im Benelux- und englischen Markt verankert ist, sind nur zwei Beispiele dafür, welche Synergien bei einem engeren Zusammengehen freigesetzt werden könnten. Künftig werden der Winter und der Sommer bei uns früher anfangen, auch bei der Marktbearbeitung werden in den Sommer 60 statt wie bisher 40 Prozent der Mittel gesteckt.
Adelboden Tourismus will eine Führungsrolle übernehmen?
Wir sind eine starke Marke im Tourismus und bieten eine Plattform für potenzielle Interessenten. Wir laden sie ein, diese zu nutzen.